Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsfurcht

Für die Lebensqualität der Menschen spielt das Gefühl von Sicherheit eine große Rolle. Besonders gilt dies im eigenen Zuhause und für das Wohnumfeld. Menschen wohnen gerne dort, wo sie sich sicher fühlen.  Gefühlte Sicherheit ist daher auch ein kommunaler Standortvorteil und deren positive Beeinflussung ein zentrales Ziel der örtlichen Präventionsarbeit. Zugleich ist das Sicherheitsempfinden ein komplexes Phänomen, auf das viele verschiedene Faktoren einwirken können und die zudem nur zu einem gewissen Anteil vor Ort beeinflusst werden können.

Begrifflichkeiten

In der Kriminologie wird die subjektive Einschätzung von Kriminalität mit Begriffen beschrieben, die das Phänomen von zwei Seiten betrachten: Zum einen negativ als Kriminalitätsangst, Kriminalitäts- oder Verbrechensfurcht und zum anderen aus der umgekehrten, positiven Perspektive als Sicherheitsempfinden oder Sicherheitsgefühl. Zunächst ist zwischen Furcht und Angst zu unterscheiden - zwei Begriffe, mit denen unterschiedliche Dimensionen des Phänomens beschrieben werden. Während „Furcht“ sich tendenziell auf konkrete Situationen oder Personen bezieht, stellt „Angst“ ein längerfristiges Persönlichkeitsmuster dar.

Dimensionen

Neben diesen begrifflichen Unterscheidungen gibt es unterschiedliche inhaltliche Dimensionen, die in der Kriminologie voneinander abgegrenzt werden. Grundsätzlich lässt sich zwischen sozialer Kriminalitätsangst und personaler Kriminalitätsfurcht unterscheiden. Im Fall der sozialen Kriminalitätsangst stehen Einschätzungen im Vordergrund, die über die eigene Person hinausgehen und eine größere soziale Umgebung (etwa ein Bundesland oder die deutsche Gesellschaft) in den Blick nehmen. Dabei wird die Angst vor Kriminalität häufig auch in ein Verhältnis zu Ängsten vor anderen gesellschaftlichen, etwa wirtschaftlichen oder ökologischen, Entwicklungen gesetzt.

Die R+V Versicherung führt jährlich eine Befragung zu diesen Ängsten der Deutschen durch.

 

Danach rangierte 2021 die Angst vor Straftaten an 20. Stelle und nur 19 % der Befragten befürchteten, Opfer einer Straftat zu werden (vgl. Abbildung auf der nächsten Seite). Deutlich größer war die Angst vor materiellen Einschränkungen, wie durch Steuererhöhungen in Folge der Corona Pandemie (53 %) oder der EU-Schuldenkrise (50 %). Anfang und Mitte der 1990er Jahre lag die Angst vor Straftaten in der Gesellschaft mit etwa 40 % noch doppelt so hoch.

Von größerer Bedeutung für die Kommunale Prävention ist die Furcht der Bürgerinnen und Bürger, in ihrer Kommune Opfer einer Straftat zu werden. In diesem Fall geht es um individuelle Befürchtungen und Wahrscheinlichkeiten: Wie hoch schätzen die Menschen ihr Risiko ein, Opfer von Kriminalität im Allgemeinen oder bestimmter Delikte zu werden?

Im Rahmen lokaler Sicheranalysen geht es in erster Linie um die Erfassung dieser personalen Kriminalitätsfurcht. Die persönliche Kriminalitätsfurcht wird u. a. (auch international) mit der sogenannten Standardfrage (Standarditem) „Wie sicher fühlen Sie sich, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit / am Tage alleine zu Fuß in Ihrer Wohngegend unterwegs sind?“ erhoben.

In der Kriminologie wird eine weitere Differenzierung des subjektiven Sicherheitsgefühls vorgenommen, die gerade für die kommunale Prävention von hoher praktischer Bedeutung ist. Einem psychologischen Konzept menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Verhaltens folgend lassen sich drei Dimensionen des „Sicherheitsgefühls“ identifizieren:

  • Kognitiv - rational / verstandesbezogen
  • Affektiv – emotional / gefühlsbezogen
  • Konativ - handlungsbezogen

Als kognitiv-rational wird die individuelle Risikoeinschätzung der Menschen bezeichnet, für wie wahrscheinlich diese es erachten, Opfer einer Straftat zu werden. In Befragungen wird diese Dimension des Sicherheitsgefühls etwa mit folgendem Item erfasst: „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, in den kommenden 12 Monaten Opfer eines Einbruchs / eines Diebstahls / körperlicher Gewalt … zu werden?“. Einschätzungen dieser Art müssen nicht mit den objektiven Wahrscheinlichkeiten, Opfer einer Straftat zu werden, übereinstimmen. Regelmäßig werden die Risiken deutlich überschätzt. Die Bürgerinnen und Bürger halten es häufig für wahrscheinlicher, Opfer einer bestimmten Straftat zu werden, als dies tatsächlich der Fall ist. Einfluss auf kognitiv-rationale Risikoeinschätzungen haben u. a. die Medienberichterstattung oder entsprechende Straftaten im eigenen Wohnumfeld.

Davon abzugrenzen ist eine affektiv-emotionale Komponente, die häufig mit dem allgemeinen Unsicherheitsgefühl gleichgesetzt wird und u. a. mit dem Standarditem (s. o.) erfasst wird. Bezogen auf verschiedene Delikte fließt in diese Komponente die Bewertung der Folgen einer Straftat mit ein. Gefühlsmäßig beeinflusst, fällt diese Komponente des Unsicherheitsgefühls umso stärker aus, je schwerwiegender die Befragten eine eigene Viktimisierung (Opferwerdung) einschätzen. Die Folgen eines sexuellen Übergriffs beispielsweise werten die Menschen als wesentlich gravierender als einen Diebstahl, wodurch diese emotionale Komponente des Sicherheitsgefühls entsprechend negativ beeinflusst wird. In Befragungen zeigt die affektive Komponente regelmäßig größere gefühlte Unsicherheit an als bei der kognitiven Einschätzung der Befragten. Mit anderen Worten haben viel mehr Menschen Angst vor Kriminalität, als dass sie damit rechnen, tatsächlich Opfer zu werden.

Stärker handlungsorientiert ist die dritte konative Komponente des Sicherheitsgefühls, die sich als Folge der beiden anderen Komponenten darin manifestiert, dass Menschen entweder Vermeidungsverhalten zeigen, sich also vermeintlich oder tatsächlich gefährlichen Situationen gar nicht erst aussetzen bzw. entsprechende Orte meiden oder vorbeugend Schutzmaßnahmen (Einbruchschutz etc.) ergreifen.

Kommunale Sicherheitsanalysen sollten alle drei Komponenten des Sicherheitsgefühls umfassen, um diese gegebenenfalls mit gezielten Maßnahmen zu beeinflussen.

Regelmäßige Befunde und „Paradoxien“

Kriminologisch ist es daher von besonderem Interesse zu ermitteln, mit welchen Einflussfaktoren die einzelnen Komponenten der Kriminalitätsfurcht in Zusammenhang stehen. So lassen sich beim Sicherheitsgefühl systematische Unterschiede erkennen, die etwa vom Alter, dem Geschlecht, dem Bildungsstand, der regionalen Herkunft, der sozialen Umgebung oder dem Einkommen der Personen beeinflusst sind.

Eine verbreitete Erklärung für die Ausprägung von Kriminalitätsfurcht ist die sogenannte „Vulnerabilitätsthese“, der zufolge Menschen sich umso unsicherer fühlen, je weniger sie sich in unsicheren Situationen glauben wehren zu können und je stärker sie sich körperlich, psychisch oder finanziell verletzlich (vulnerabel) fühlen. In vielen Untersuchungen zum Sicherheitsgefühl hat sich bestätigt, dass Frauen (nachts außerhalb der Wohnung) größere Unsicherheit empfinden als Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich Frauen (jeden Alters) als verletzlicher erleben als Männer und daher in vielen Fällen ein stärkeres Vermeidungsverhalten zeigen.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS, 2019) waren drei Viertel der Tatverdächtigen männlich, und auch unter den Opfern waren mit etwa 60 % mehr Männer als Frauen. Mit Blick auf Alter und Kriminalitätsbelastung lässt sich in der PKS die Beziehung erkennen, dass tendenziell mehr Opfer und mehr Täter in jüngeren Altersgruppen zu finden sind als in älteren. Zugleich weisen ältere Menschen in der Regel eine höhere Kriminalitätsfurcht auf als jüngere. In diesem umgekehrten Zusammenhang lässt sich ein sogenanntes „Kriminalitätsfurcht-Paradox“ erkennen, demzufolge sich Menschengruppen, die deutlich seltener Opfer von Straftaten werden (Frauen und ältere Menschen), tendenziell unsicherer fühlen als jüngere Männer, die ein deutlich höheres Viktimisierungsrisiko aufweisen. Daneben lassen Untersuchungsergebnisse in der Tendenz den Schluss zu, dass sich Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss sowie einem höheren Einkommen sicherer fühlen als Personen mit einem niedrigeren Bildungsgrad und niedrigerem Einkommen. Weitere Zusammenhänge zeigen sich etwa dahingehend, dass sich Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland unsicherer fühlen als in den westdeutschen Ländern und Menschen in Großstädten unsicherer als in ländlichen Gegenden. Diese Zusammenhänge stellen aber zunächst lediglich Korrelationen dar, ohne dass sie Erklärungskraft besitzen.

Erklärungsansätze zum subjektiven Sicherheitsgefühl

Ansätze zur Erklärung des subjektiven Sicherheitsgefühls nehmen sehr unterschiedliche Perspektiven ein, sind zum Teil kombinierbar und lassen sich drei Analyseebenen zuordnen. Auf der personalen Ebene (vgl. Tabelle 1), auf der das Individuum ausschlaggebend ist, finden sich primär psychologische Theorien, die u. a. konkrete Opfererfahrungen für eine Beeinträchtigung des subjektiven Sicherheitsgefühls verantwortlich machen. Forschungsergebnisse zu dieser Annahme sind jedoch uneinheitlich. Besonders deutlich kann ein solcher Zusammenhang bei Einbruchopfern nachgewiesen werden. Bei diesem Delikt weisen Betroffene eine stärkere Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls auf als Opfer von Körperverletzungen oder Raub. Bemerkenswerterweise fallen diese negativen Folgen in manchen Untersuchungen bei „indirekten Opfern“ stärker aus, wenn Einbrüche im sozialen Nahraum (der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis) stattgefunden haben.

 

Zugrunde liegende Literatur:

Hermann Groß (2021): Kriminalitätsfurcht und subjektives Sicherheitsgefühl. In: Bernhard Frevel (Hrsg.): Kriminalität. Ursachen, Formen und Bekämpfung. Münster.

Hans-Dieter Schwind et.al. (2001): Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt. Bochum 1975-1986-1998. Neuwied.

Michael Hahne, Leon Hempel & Robert Pelzer (2020): (Un-)Sicherheitsgefühle und subjektive Sicherheit im urbanen Raum. Berliner Forum Gewaltprävention Nr. 70, S. 25.

 

Mit der Vulnerabilitätsperspektive ist die Annahme verbunden, dass die Kriminalitätsfurcht umso größer ist, je höher die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, Opfer einer Straftat zu werden. In diese Einschätzung fließt die Eigenwahrnehmung mit ein, inwieweit Menschen sich verletzlich fühlen, glauben, sich gegen physische Angriffe zur Wehr setzen oder Betrugsversuche (wie den sogenannten „Enkeltrick“ bei älteren Menschen) erkennen zu können. Es handelt sich also um eine Bewertung der eigenen Bewältigungsfähigkeit.

Auf einer sozialräumlichen Ebene entstehen Unsicherheitsgefühle aus der Wahrnehmung und Bewertung des sozialen und räumlichen Umfelds der Menschen. Die Perspektive sozialer Kontrolle nimmt Formen der sozialen und physischen Unordnung, sogenannter „Incivilities“, in den Blick. Dazu können Anzeichen von Verwahrlosung wie Müll auf der Straße, Zeichen von Vandalismus, Graffiti oder unerwünschte Verhaltensweisen, z. B. laute Musik oder betrunkene Personen, gehören. Zudem übt das Vertrauen in das Nahfeld, etwa die Nachbarschaft im Wohnumfeld, einen wichtigen Einfluss aus. Je stärker nachbarschaftliche Beziehungen, bestehendes Vertrauen untereinander und gemeinsame Werte sind, umso ausgeprägter ist die Wahrnehmung informeller (nicht staatlicher) sozialer Kontrolle im Wohnumfeld, was sich positiv auf das Sicherheitsgefühl auswirkt. Untersuchungen zeigen, dass mit höherem Einkommen und höherem sozioökonomischem Status der soziale Zusammenhalt in der eigenen Wohnumgebung besser eingeschätzt und weniger Anzeichen sozialer Unordnung wahrgenommen werden.

Auf gesellschaftlicher Ebene rücken zur Erklärung der subjektiven Sicherheit allgemein die Problemlagen der Gesellschaft und deren Thematisierung in der Politik und den Medien in den Mittelpunkt. Ein dramatisierender politischer Diskurs und eine skandalisierende Medienberichterstattung wirken sich demzufolge negativ auf das Sicherheitsgefühl aus. In den letzten Jahren haben insbesondere die sozialen Medien eine zunehmende Bedeutung erfahren, wenn sicherheitsbezogene Themen dort zum Teil noch hitziger diskutiert und verbreitet werden.

Aus der Perspektive sozialer Probleme erscheint Kriminalitätsfurcht nicht als isoliertes Phänomen, sondern steht in Beziehung zur Bewertung anderer Lebensbereiche wie der ökonomischen und sozialen Situation in einem Land. Je stabiler die wirtschaftliche Lage und soziale Sicherungssysteme wahrgenommen werden, umso sicherer fühlen sich die Menschen. In Zeiten schneller Veränderungsprozesse oder plötzlich und unerwartet auftretender Ereignisse von nationaler Tragweite wie der Corona-Pandemie oder des Krieges in der Ukraine können in der Bevölkerung hingegen allgemeine und diffuse Verunsicherungen auftreten.

Diese unterschiedlichen Perspektiven auf das Sicherheitsgefühl haben auch Konsequenzen für die Möglichkeit, im Rahmen Kommunaler Prävention positiven Einfluss ausüben zu können.

Sicherheitsgefühl und Prävention

Für die Präventionsarbeit ist das Sicherheitsgefühl in der Gemeinde grundsätzlich mit gegensätzlichen Implikationen verbunden. Auf der einen Seite bedarf es einer gewissen Betroffenheit bzw. eines Problembewusstseins, damit die Menschen dem Thema Relevanz beimessen, sich in die Präventionsarbeit einbringen oder ggf. selbst Präventionsmaßnahmen umsetzen. Auf der anderen Seite ist es eines der zentralen Ziele kommunaler Prävention, das Sicherheitsgefühl positiv zu beeinflussen. Beide Aspekte kann Kommunale Prävention in Einklang bringen, indem sie über objektive Risiken aufklärt, Rationalität in der Auseinandersetzung mit Unsicherheit fördert und angemessene, wirksame Handlungsansätze vermittelt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Sicherheitsgefühl der Menschen ein komplexes Phänomen darstellt, das differenziert betrachtet werden muss. Entsprechend zielgerichtet sollten Maßnahmen ergriffen werden, um verschiedene Dimensionen der Kriminalitätsfurcht durch Maßnahmen der Kommunalen Prävention zu beeinflussen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Wunsch nach mehr Sicherheit ein „unendliches“ Bedürfnis darstellt und damit kaum gänzlich zu befriedigen ist.

Entsprechend der skizzierten Dimensionen der Kriminalitätsfurcht können Maßnahmen zu deren Verringerung auf verschiedenen Ebenen ansetzen:

  • Durch eine Fokussierung auf spezifische Gruppen mit besonders ausgeprägten Unsicherheitsgefühlen wie älteren Menschen und insbesondere (älteren) Frauen. Aus psychologischer Sicht geht es dabei besonders um die Steigerung von Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit im Bereich subjektiver Sicherheit. Dies kann beispielsweise durch Aufklärung über Hilfs- und Unterstützungsangebote, effektive Formen der Vorbeugung oder erweiterte Fertigkeiten, z. B. Erlernen von Abwehrtechniken, geschehen.
  • (Sozial-)Räumlich bieten Ansätze der städtebaulichen Prävention die Möglichkeit, „Angsträume“, die auf Grund tatsächlicher oder subjektiver Unsicherheit gemieden werden, zu identifizieren und so umzugestalten, so dass diese ihren Schrecken verlieren. Auch auf Tatgelegenheiten kann mit Ansätzen der städtebaulichen Prävention so eingewirkt werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Straftaten sinkt.

Stiftung
Deutsches Forum
für Kriminalprävention

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