Umgang mit Bedrohungen, Hass und Gewalt
Um welche Phänomene geht es?
Für verschiedene Berufsgruppen gehört es zu ihrem Alltag, zum Ziel von Hass, Bedrohungen oder Gewalt zu werden. Dies betrifft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, in Schulen, bei der Polizei, im Rettungs- und Gesundheitswesen, in der Kommunalpolitik, im ÖPNV sowie in anderen Berufsgruppen und Tätigkeiten. Eine zunehmende Verrohung prägt die Kommunikation, online wie analog. Diese Entwicklung kann mit großen individuellen Belastungen für die Betroffenen verbunden sein.
- Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, das in Deutschland mehr als die Hälfte der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (57 Prozent) schon einmal beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden ist. Die Mehrheit der Befragten (68 Prozent) hat aus Sorge vor Beleidigungen oder Angriffen sogar ihr Verhalten geändert. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) verzichtet weitgehend auf die Nutzung sozialer Medien. Besorgniserregend für die Demokratie: Ein Fünftel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (19 Prozent) hat aus Sorge um die eigene Sicherheit oder die der Familie schon über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht, ein Drittel (30 Prozent) äußert sich zu bestimmten politischen Themen seltener als früher.

- In einer bundesweiten Erhebung des Magazins KOMMUNAL im Auftrag des Politik-Magazins "Report München" im Jahr 2021 geben 72% der 1.611 Teilnehmer/-innen an schon beleidigt, beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden zu sein. Darüber hinaus berichteten 20% der Gemeindevertreter/-innen und Mitarbeiter/-innen, dass sie körperlich angegriffen, bespuckt oder geschlagen wurden.
- Das Bundeskriminalamt führt im Rahmen des Projektes "Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung" (MOTRA) ein kommunales Monitoring durch und befragt in halbjährigem Abstand alle ehren- und hauptamtlichen (Ober-) Bürgermeister/-innen und Landräte/-innen. Durch diese wiederholten Befragungen können auch längerfristige Entwicklungstrends abgebildet werden. In der Herbstbefragung 2022 gaben 39% der Befragten an, in den zurückliegenden sechs Monaten Anfeindungen erlebt zu haben. In diesen Fällen handelte es zu 79% um verbale / schriftliche Anfeindungen, zu 20% um Hasspostings und in einem Prozent um tätliche Angriffe. In Folge dieser Anfeindungen leiden 82% der Betroffenen nach eigenen Angaben unter psychischen / physischen Folgen, wie Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen. Mehr als jeder zehnte Betroffene hat zudem eine Amtsniederlegung erwogen bzw. angegeben nicht wieder anzutreten. Von den Mitarbeitenden der Verwaltung gaben 42% an im Untersuchungszeitraum angefeindet worden zu sein, wobei 47% der Fälle angezeigt wurden.
- Eine Studie zur Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst hat das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 2022 vorgestellt. Im Gegensatz zu den vorgenannten Untersuchungen standen hier Mitarbeitende verschiedener Tätigkeitsbereiche des öffentlichen Dienstes im Mittelpunkt des Interesses, wozu etwa Feuerwehr und Rettungskräfte, Justiz und Justizvollzug, Sozial- und Arbeitsverwaltungen, Bürger- und Ordnungsämter sowie Schulen und Hochschulen gehörten. Mitarbeitende der Ordnungsämter waren mit 322 behördlich erfassten Gewaltvorfällen je 1.000 Beschäftigte (2020/2021) am stärksten betroffen, vor den Beschäftigten in Bürgerämtern (251 Fälle je 1.000 Beschäftigte in 2020/2021) und Gerichtsvollziehern/-innen (138 Fälle je 1.000 Beschäftigte). Hinsichtlich der Art der gemeldeten Vorfälle dominierten Beleidigungen und Bedrohungen, wohingegen Straftaten deutlich seltener von den Behörden dokumentiert wurden. Knapp jede/r vierte Befragte gab an in den letzten 12 Monaten (2019) einmal oder mehrmals Opfer von Gewalt geworden zu sein. Dabei ist die Dunkelziffer bei Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst sehr hoch, denn es wurden 7 von 10 Übergriffen im Durchschnitt (der Tätigkeitsbereiche) nicht gemeldet.
Neben diesen bundesweiten Befragungen gibt es auch regionale Untersuchungen mit spezifischen Fragestellungen.
- Im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg wurde 2022 eine Studie mit dem Titel "Präventive Strategien zum Schutz von kommunalen Amts- und Mandatspersonen vor Einschüchterung, Hetze und Gewalt" vorgestellt. Darin ermitteln die Autoren/-innen eine Betroffenenquote von 52%. Dabei ist die Anzahl der Angriffe in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern/-innen dreimal so hoch wie in Dörfern. Am häufigsten (von einem Drittel der Antwortenden) werden Beleidigungen erlebt, von Frauen oft mit sexistischem Hintergrund. Bedrohungen, in einer Minderheit der Fälle auch gegen Familienangehörige oder Kollegenschaft, berichtet jeder und jede fünfte Antwortende. Sachbeschädigungen werden von 14 % der Antwortenden genannt und knapp vier Prozent haben angegeben, dass sie einmal oder mehrfach körperliche Gewalt gegen sich erlebt haben. Generell zeigte sich, dass weibliche Amts- und Mandatspersonen leicht häufiger, insbesondere aber in anderer Qualität angegriffen werden (beispielsweise mit Vergewaltigungsdrohungen). Hervorzuheben ist zudem, dass der Studie zufolge nur eine Minderheit der Betroffenen die Täter/-innen nicht kannte und 44% der Täter/-innen selbst aus dem kommunalen Raum stammte.
- Eine Untersuchung zur Gewalt gegen hessische Bürgermeister/-innen hat die Professur für Kriminologie der Universität Gießen 2021 vorgestellt. Beleidigungen kommen nach Angaben der Befragten am häufigsten vor und werden sehr oft mehrfach erlebt. Mehrfach erlebte Beleidigungen kamen derart häufig vor, dass davon ausgegangen werden kann, dass jede/r solche Beleidigungen erlebt hat. Auch bei mehrfach vorkommenden Bedrohungen liegt das Ausmaß der Betroffenheit höher als bei den einmaligen Erlebnissen, was zusammengenommen 47 % der Befragten bejahten. Körperliche Angriffe sowie gewalttätige Angriffe mit körperlichen oder psychischen Folgen erlebten zusammen genommen 7,6 %, wobei dies in 1 % der Fälle mehrfach geschah.
Wenngleich die Befunde heterogen sind, machen sie sehr deutlich, dass Anfeindungen, Bedrohungen und Gewalt in vielen Berufsgruppen und Tätigkeitsfeldern keine singulären Ereignisse sind, sondern vielfach zur Alltagserfahrung der Betroffenen gehören.
Um dem entgegenzuwirken, müssen unter anderem bereits bei Kindern und Jugendlichen vorbeugend Kompetenzen gefördert werden, deren Fehlen Hass und Gewaltbereitschaft begünstigen. Zugleich müssen Angebote ausgebaut und bekannt gemacht werden, die Betroffene darin unterstützen, sich vor Angriffen zu schützen und besser mit deren Folgen umgehen zu können.
Welche Präventionsansätze kommen in Frage?

In den letzten Jahren sind eine Vielzahl staatlicher und zivilgesellschaftlicher Angebote geschaffen worden, die Betroffenen Hilfestellung leisten.
- Unterstützungsangebote gegen Hass im Netz
In den letzten Jahren sind verschiedene Angebote geschaffen worden, gegen Anfeindungen im Netz vorzugehen. Meldestellen wenden sich an Nutzer/-innen die auf Hasskommentare stoßen, diese melden, auf ihre Strafbarkeit prüfen oder etwas dagegen unternehmen wollen. Dazu zählen "RESPECT! - die Meldestelle für Hetze im Netz", "Hassmelden - Zentrale Meldestelle für Hatespeech" oder die "Meldestelle HessenGegenHetze". Das Projekt "Hate Aid" hilft Betroffenen von digitaler Gewalt mit Beratung und in besonderen Fällen mit Prozesskostenfinanzierung. Informationen, Trainings und Gegenrede gegen Hassbotschaften und -kommentare im Netz bieten Angebote wie "Love-Storm: Gemeinsam gegen Hetze im Netz" oder "#ICHBINHIER". - Kommunale Konfliktberatung
Mit dem Ansatz der Kommunalen Konfliktberatung werden Kommunen darin unterstützt spannungsgeladene Situationen und Konflikte zu bearbeiten und dabei vorhandene Ressourcen einzubeziehen bzw. ggf. zu ergänzen. Anbieter Kommunaler Konfliktberatung sind etwa das "forumZFD", das "K3B - Kompetenzzentrum Kommunale Konfliktberatung" oder die "Aktion Zivilcourage". - Zentrale Beratungsstellen bei Polizei und Justiz
In den meisten Ländern sind bei Polizeibehörden oder bei den Staatsanwaltschaften zentrale Ansprechstellen geschaffen worden, die im Überblick auf dem Portal "Stark-im-Amt" dargestellt sind. Bundesweite Kriminalpolizeiliche Beratungsstellen helfen Betroffenen Risiken zu bewerten und beraten zu persönlichen Schutzmaßnahmen.
- Das DFK sieht eine Kernaufgabe darin, Expertise aus der Wissenschaft, den Sicherheitsbehörden, der Justiz sowie aus der Zivilgesellschaft zusammen zuführen und die Engagierten zu vernetzen und miteinander ins Gespräch zu bringen. So hat die Arbeitsstelle Nationales Zentrum für Kriminalprävention mit Unterstützung der kommunalen Spitzenverbände eine Handreichung für Kommunalpolitiker/-innen zum Umgang mit Hass und Gewalt veröffentlicht. Beratend unterstützt das DFK das Portal "stark-im-amt", ein Kooperationsprojekt der Körber-Stiftung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Unter Federführung des Initiative "Sicher im Dienst" wurden mit den Kooperationspartnern Landeskriminalamt NRW, der Sicherheitskooperation Ruhr sowie der Unfallkasse NRW Taschenkarten zum Schutz von Mandatsträger/-innen entworfen. Gemeinsam mit der Universität Potsdam ist das Präventionsprogramm HateLess entwickelt worden, das sich an Schüler/-innen der 7. bis 9. Klassenstufen richtet und das Ziel verfolgt, individuelle Kompetenzen zu fördern, die der Ausübung von Hatespeech vorbeugen.
Wo finde ich einschlägige Informationen zu konkreten Präventionsmaßnahmen?
In einem Kooperationsprojekt der Körber-Stiftung mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund wurde das Portal "Stark-im-Amt" geschaffen. Das Portal wurde im April 2021 durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier freigeschaltet und wird von ihm als Schirmherr unterstützt. Kommunalpolitiker/-innen finden dort in Fallbeispielen informationen zu möglichen Reaktionen auf Anfeindungen im privaten oder beruflichen Umfeld, zu Unterstützungsangeboten sowie zu aktuellen Entwicklungen.
„Sicher im Dienst“ ist eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, deren Kernelemente berufs- und tätigkeitsspezifische Präventionshinweise sowie ein landesweites Präventionsnetzwerk sind. Die Internetpräsenz soll Beschäftigte, Vorgesetzte und Behördenleitungen in die Lage versetzen, konkrete Verbesserungen bei verhaltensorientierten, organisatorischen und baulichen Maßnahmen im eigenen Bereich vorzunehmen und beim Umgang mit Gewalterfahrungen sicher zu reagieren.
Das Programm der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes bietet Informationen zu den Themen "Sicher in der Öffentlichkeit auftreten", "Beschäftigte vor Übergriffen schützen" sowie "Mehr Sicherheit am Arbeitsplatz". Entsprechende Beratung bieten bundesweit kriminalpolizeiliche Beratungsstellen in Ihrer Nähe.